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Referendum gegen das neue Jagd-Gesetz ist zustande gekommen

Foto: Peter Dettling.

Das revidierte Jagdgesetz trifft den Artenschutz in der Schweiz in seinen Grundfesten. Was mit einer erleichterten Regulierung des Wolfes begann, schiesst nun weit über dieses Ziel hinaus und nimmt geschützte Tierarten generell ins Visier.

Mit der Verschiebung der Kompetenzen im Artenschutz vom Bund an die Kantone und den geplanten Abschüssen geschützter Tierarten „auf Vorrat“ und ohne Präventionsmassnahmen hebelt dieses missratene Gesetz den bestehenden, gutschweizerischen Kompromiss zwischen Jagd, Schutz und Regulierung geschützter Tierarten aus.

Aus diesem Grund haben die Umweltschutzorganisationen BirdLife Schweiz, Gruppe Wolf Schweiz, Pro Natura, WWF Schweiz und zooschweiz das Referendum gegen die Revision des Jagdgesetzes ergriffen.

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Foto: Stefan Huwiler.

Bis Ende 2019 sind genügend Unterschriften gesammelt worden. Nun wird das Stimmvolk über unseren Umgang mit geschützten Tierarten entscheiden. 

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Hier findest du alle Antworten:

Referendum gegen das missratene Jagdgesetz: die Argumente

Was beinhaltet das aktuelle Jagd- und Schutzgesetz JSG?

Das JSG ist seit bald 30 Jahren in Kraft und ist ein fein austarierter Kompromiss zwischen Schutz, Jagd und Schadenabwehr.

  • Der gute Kompromiss des geltenden JSG basiert auf dem Grundsatz «Schutz beim Bund, Jagd bei den Kantonen».
  • Das geltende JSG wurde im Nationalrat einstimmig und im Ständerat mit nur 2 Gegenstimmen angenommen und von allen begrüsst: Naturschützer, Jäger, Landwirte, Jagdverwalter, etc.
  • Nach dem geltenden JSG sind die geschützten Arten keineswegs total geschützt. Bereits heute sind sowohl Einzelabschüsse als auch Bestandsregulierungen möglich, wenn grosse Schäden auftreten und nachdem Massnahmen zur Schadenminderung ergriffen wurden.
  • Wenn die missratene Revision nach dem Referendum vom Volk abgelehnt wird, bleibt das geltende JSG mit seinen gutschweizerischen Kompromissen und mit seinen Lösungen für die allermeisten Fragen und Probleme in Kraft, bis es allenfalls durch eine neue, bessere Revision geändert wird.

Was gab den Anstoss zur Revision des JSG?

Während rund dreissig Jahren hatten keine der Beteiligten das Bedürfnis die guten Kompromisse des geltenden JSG auf ihre Seite drücken zu wollen. Das änderte sich mit der Polemik um den Wolf, die sogar zur Forderung nach einem Austritt aus der Berner Konvention führte, und um den Höckerschwan.

  • Dieser Polemik setzte Ständerat Stefan Engler 2014 eine Motion entgegen, welche konkrete Vorschläge zum Zusammenleben von Wolf und Bergbevölkerung machte.
  • Dieser Motion stimmten die Umweltorganisationen zu. Sie wurde denn auch im Ständerat einstimmig und im Nationalrat mit nur 17 Gegenstimmen angenommen. Die Umweltorganisationen boten Hand, das JSG in diesem Sinn weiterzuentwickeln und beim Wolf – aber nur bei diesem – neue Lösungen zu finden.
  • Der Bundesrat erhielt so vom Parlament den Auftrag, das JSG gemäss Motion Engler anzupassen.

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Foto: Stefan Huwyler.

Wie kam es zum missratenen Jagdgesetz?

Statt sich auf eine gezielte Anpassung des JSG betreffend Wolf zu konzentrieren, erarbeitete der Bundesrat eine Revision mit über 20 Änderungen, alle gerichtet gegen Schutzanliegen.

  • Der Bundesrat hat eine Jagdgesetzrevision an das Parlament geschickt, die keinerlei Verbesserungen im Bereich Schutz der Wildtiere enthielt.
  • Das Parlament hat endlose Debatten geführt und Zufallsentscheide mit einer oder wenigen Stimmen Mehrheit gefällt. Am Schluss musste eine Einigungskonferenz durchgeführt werden, damit die beiden zerstrittenen Räte sich einigen konnten.
  • Mit Dutzenden von Anträgen aus Kommission und Räten, die nie in einer Vernehmlassung sauber abgeklärt und diskutiert wurden, ist das Gesetz sehr kompliziert geworden und enthält ungeklärte Begriffe wie jenen von verhaltensauffälligen Tieren, die geschossen werden können. Das missratene Jagdgesetz führt damit nicht zu weniger, sondern zu mehr Rechtsstreitereien.

Welche Punkte sind im missratenen Jagdgesetz besonders gravierend?

Im revidierten Jagdgesetz hat das Parlament den Grundsatz «Schutz beim Bund, Jagd bei den Kantonen» über den Haufen geworfen und viele weitere Verschlechterungen eingebaut.

  • Das Parlament will, dass in Zukunft die Kantone statt dem Bund die Regulierung von Beständen geschützter Arten bewilligen können. Das widerspricht dem Grundsatz des JSG, öffnet Tür und Tor für vermehrte Abschüsse und verhindert ein gesamtschweizerisch abgestimmtes Vorgehen.
  • Bestandsregulierungen geschützter Arten will das Parlament bereits bei irgendwelchen, möglicherweise in Zukunft eintreffenden Schäden erlauben. Bisher brauchte es grosse, nachgewiesene Schäden. Es sind nicht einmal mehr vorgängige Massnahmen zur Schadenvermeidung nötig, bevor man schiessen darf.
  • Das Parlament hat eine Liste von geschützten Arten, die auf diese Weise gegenüber heute stark vereinfacht abgeschossen werden können, beschlossen. Der Bundesrat kann aber jederzeit und am Volk vorbei weitere geschützte Arten auf diese Liste setzen. Zur Diskussion stehen: Biber, Luchs, Höcker-schwan, Graugans, Mittelmeermöwe, Gänsesäger, Graureiher etc. Auch wenn der Bundesrat allenfalls beteuern sollte, diese Arten nicht auf die Liste setzen zu wollen – etwas Druck von Interessengruppen im Parlament genügt, und er wird es tun müssen.
  • Das Parlament hat beschlossen, bei allen Entscheiden betreffend jagdbare Arten das Verbands-beschwerderecht aufzuheben. Dieses war erst vor wenigen Jahren vom Schweizer Volk mit 66% Ja-Stimmen vollumfänglich bestätigt worden.
  • Nach Beschluss des Parlaments könnten die Kantone damit Eingriffe gegen Saatkrähen, Kormorane und all die anderen jagdbaren Arten in der Schonzeit (!) beschliessen, ohne dass die Möglichkeit besteht, diese Beschlüsse durch ein Gericht auf ihre Rechtmässigkeit überprüfen zu lassen. Das ist eines Rechtsstaates unwürdig.
  • Die missratene Revision des JSG ist zudem eine verpasste Chance, endlich den Feldhasen, den Birkhahn, das Schneehuhn und die Waldschnepfe zu schützen. Ihre Jagd wird mit der Revision auf Jahre hinaus zementiert.
  • Das missratene Jagdgesetz geht also weit über die Fragen um den Wolf hinaus und schwächt den Schutz der geschützten Tiere, die auf die Regulationsliste gesetzt werden, massiv.
  • Das Parlament baute auch ein paar Verbesserungen in die revidierte Vorlage ein: Der Schutz der Wildtierkorridore ist sehr zu begrüssen. Die Verkürzung der Jagdzeit der Waldschnepfe um nur einen Monat rettet hingegen nur gerade rund 4% der in der Schweiz gejagten Schnepfen. Auch der Schutz von 12 Entenarten betrifft nur gut 2% aller Abschüsse von Enten in der Schweiz.
  • Sowohl dem Bundesrat, als auch dem Parlament waren die grossen Bedenken der Umweltorganisa-tionen gegen eine Revision in dieser Form von Anfang an bekannt. Beide haben sie über Jahren hinweg in den Wind geschlagen und aus dem bestehenden JSG mit seinen Kompromissen und guten Lösungen ein missratenes Jagdgesetz gemacht.
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Foto: Philip Taxböck.

Was geschieht, wenn das neue Jagdgesetz in der Volksabstimmung abgelehnt wird?

Dann bleibt ganz einfach das seit dreissig Jahren bewährte JSG in Kraft, das für praktisch alle Fragen und Probleme Kompromisse und Lösungen bereit hat. Das zeigen ganz aktuell die Massnahmen gegen den Wolf in Graubünden und gegen den Höckerschwan in Nidwalden im Rahmen des geltenden JSG!

  • Das heute geltende, gute JSG kann nach der Ablehnung des missratenen Jagdgesetzes in einer gezielten neuen Revision rasch angepasst werden, in jenen Punkten, die sowohl im Parlament, als auch bei allen Beteiligten grosse Zustimmung fanden.
  • Beim Wolf kann eine Revision gemäss der Motion Engler rasch zu Lösungen führen. Der Wolf, aber nur der Wolf kann vorsorglich und bei einer (unwahrscheinlichen) Gefährdung von Menschen vereinfacht in seinem Bestand reguliert werden. Die weiter geltende Zustimmung des Bundes garantiert die gesamtschweizerisch abgestimmte Anwendung der neuen Regelung.
  • Die unbestrittenen und mit grosser Mehrheit beschlossenen Verbesserungen, insbesondere die Siche-rung der Wildtierkorridore, können vollständig in die neue, gezielte JSG-Revision aufgenommen werden.
  • Es ist sauber zu prüfen und zu diskutieren, bei welchen heute jagdbaren Arten ein Schutz nötig ist.

Was im Abstimmungskampf alles behauptet werden dürfte

Ziel der Befürworter des missratenen Jagdgesetzes wird es sein, die Bevölkerung zu spalten. Dies insbesondere mit dem Wolf, den sie im Zusammenhang mit menschlichen Urängsten in den Vordergrund rücken werden. Zudem werden die Promotoren behaupten, dass ihr neues Jagdgesetz ein Kompromiss mit pragmatischen Ansätzen sei.

  • Das missratene Jagdgesetz geht weit über den Wolf hinaus. Bei diesem ist nach Ablehnung des Gesetzes auf der Basis der Motion Engler eine neue Revision rasch und einfach möglich.
  • Das missratene Jagdgesetz höhlt den Schutz gefährdeter Tierarten in der Schweiz generell aus. Dies obwohl heute die Dringlichkeit eines besseren Schutzes der Artenvielfalt grösser denn je ist.
  • Der zu erwartende Versuch der Promotoren des Gesetzes, Stadt gegen Land und Berg gegen Tal auszu-spielen, wird ins Leere laufen: Vom Wolf wäre hauptsächlich das Berggebiet betroffen, doch all die anderen Verschlechterungen treffen das ganze Land, Land und Stadt, Berg und Tal.
  • Die gutschweizerischen Kompromisse mit pragmatischen Lösungen enthält das bestehende Jagdgesetz, nicht das missratene mit seinen stark auf Regulierung ausgerichteten, komplizierten Bestimmungen.
  • Es ist sehr unklar, wer eigentlich vom missratenen Jagdgesetz profitieren soll. Die Jäger haben nicht viel davon, was nicht schon im bestehenden Gesetz steht. Die Regulierung des Höckerschwans ist sicher auch nicht im Sinn der Jäger. Es darf nicht zugelassen werden, dass Jäger und Naturschützer gegeneinander aufgebracht werden. Die gemeinsamen Interessen an einer intakten Natur sind wichtiger.

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